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Ermittlungsverfahren nach Tod eines mutmaßlichen Brandstifters eingestellt
Datum: 13.10.2022
Kurzbeschreibung:
Ermittlungsverfahren nach Tod eines mutmaßlichen Brandstifters eingestellt
Munderkingen/Ulm.
Am 14. März 2022 soll in den frühen Nachmittagsstunden ein 36 Jahre alter Mann sich in suizidaler Absicht Schnittwunden am Hals und den Armen zugefügt und ein von ihm mit seiner Familie bewohntes Mehrparteienhaus in der Munderkinger Altstadt in Brand gesetzt haben. Zur Behandlung seiner Verletzungen wurde der Mann ins Universitätsklinikum Ulm eingeliefert, wo er auch stationär aufgenommen wurde.
Am Morgen des Folgetags eröffneten zwei Polizeibeamte des Polizeipräsidiums Ulm ihm im Aufwachraum des Klinikums die vorläufige Festnahme wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung und des versuchten Mordes an einer während der Brandlegung im Haus befindlichen 80-jährigen Mitbewohnerin, die von Passanten glücklicherweise unverletzt aus dem brennenden Gebäude gerettet werden konnte.
Kurz nach Eröffnung des Tatvorwurfs flüchtete der 36-Jährige aus seinem Zimmer, wobei er umgehend von den Polizisten verfolgt wurde. Der Mann „bewaffnete“ sich zwischenzeitlich mit einem herumstehenden Stuhl und versetzte den Polizisten mehrere Faustschläge, wodurch diese auch verletzt wurden.
Auf seiner Flucht stürzte der 36-Jährige nach etwa 100 Metern, so dass die beiden Polizeibeamten und weitere ihnen nacheilende Mitarbeiter der Klinik ihn einholen und - trotz heftiger Gegenwehr - bäuchlings am Boden halten konnten. Da es den beiden Polizeibeamten allein aber nicht gelang, den sich heftigst wehrenden und sehr muskulösen, kräftigen Mann unter Kontrolle zu bringen, halfen drei Pflegekräfte spontan mit, ihn am Boden zu fixieren, indem sie sich auf seine Beine und sein Gesäß setzten. Die Beamten knieten mit jeweils einem Knie auf den Schulterblättern des Mannes. Dabei waren alle darauf bedacht, seinen Oberkörper bewusst freizuhalten, um einen lagebedingten Erstickungstod zu verhindern.
Trotzdem gelang es dem Mann, einen Polizeibeamten zwei Mal heftig in den Unterarm zu beißen. Mit vereinten Kräften gelang es zu fünft schließlich, ihm Handschließen anzulegen.
Am Boden erlitt der Mann keine erkennbaren Verletzungen. Er hatte auch weder Atemnot noch verlor er sein Bewusstsein. Vielmehr schrie er fortwährend laut herum und verbreitete Verschwörungstheorien. Der 36-Jährige befand sich zu dieser Zeit wahrscheinlich in einer hochpsychotischen Phase. Wie erst nachträglich bekannt wurde hatte er aus dem Aufwachraum heraus über sein Handy live Verschwörungstheorien in Zusammenhang mit der Coronapandemie und einem unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang ins Internet gestreamt.
Zwei weiter hinzugeeilte Ärzte spritzten dem kaum zu bändigenden Mann Beruhigungs- und Narkosemittel, woraufhin nach etwa einer Minute der Widerstand des Mannes erlahmte, sodass ihm die Handschließen abgenommen werden konnten. Er wurde in Rückenlage auf ein Krankenbett gelegt und zurück in den Aufwachraum geschoben, wo er an die zentralen Überwachungsgeräte angeschlossen und überwacht wurde. Nach wenigen Minuten trat dort - für alle überraschend und unerklärlich - ein rapider Abfall seiner Vitalparameter ein. In der Folge wurde er über knapp zwei Stunden reanimiert, wobei diese Versuche leider erfolglos blieben und der Mann vor Ort verstarb.
Weder die gerichtsmedizinische Obduktion, die Organbefunde noch die chemischen Untersuchungen der Körperflüssigkeiten auf Drogen/Medikamente noch weitere Untersuchungen konnten zunächst eine eindeutige Todesursache feststellen. Die von der Staatsanwaltschaft Ulm ergänzend beauftragten rechtsmedizinischen Sachverständigen sehen ein sogenanntes exzitiertes Delir als todesursächlich an, während ein lagebedingter Erstickungstod nach Auffassung der Gutachter ausscheidet. In einer Gesamtschau aller Befunde gehen die Sachverständigen davon aus, dass der 36 Jahre alte Mann mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem akuten Respirationsversagen als direkte Folge einer Kombination aus exzitiertem Delir, psychischer und physischer Totalerschöpfung, physischer respiratorischer Behinderung unter Hinzutreten der - ordnungsgemäß verabreichten - Medikamente verstorben ist.
Bei dem exzitierten Delir handelt es sich um einen extremen psychovegetativen Erregungszustand, der im Extremfall auch tödlich enden kann. Er ist häufig kombiniert mit aggressivem Verhalten, hoher Schmerztoleranz, extremer körperlicher Stärke und Ausdauer.
Dass der Mann sich in einem exzitierten Delir oder gar in Lebensgefahr befand war weder für die vor Ort eingesetzten Polizeibeamte noch für die beteiligten Pflegekräfte und Ärzte erkennbar. Ihnen allen bot sich vielmehr das Bild eines sich mit allen Mitteln heftig seiner Festnahme entziehenden Mannes dar. So führen die Gutachter hierzu aus, dass ein solches exzitiertes Delir, welches sehr selten vorkomme, von außen nur schwer von deliranten Zuständen anderer Ursache, die häufiger vorkämen, unterschieden werden könne.
Da die beiden Polizeibeamten - wie auch die beteiligten Ärzte und Krankenpfleger – damit kein Verschulden am tragischen Tod des 36-Jährigen trifft, war das Verfahren einzustellen.