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Strafrechtliche Ermittlungen zum tödlichem Unfall im Ulmer Beschussamt eingestellt

Datum: 05.12.2007

Kurzbeschreibung: 

Strafrechtliche Ermittlungen zum tödlichem Unfall im Ulmer Beschussamt eingestellt

 

Ulm.

Die Staatsanwaltschaft Ulm hat ihre Ermittlungen zu dem schweren Arbeitsunfall im Ulmer Beschussamt, bei dem am 22. August 2006 zwei Menschen starben, eingestellt. Nach aufwändigen Untersuchungen geht sie davon aus, dass die fachliche und – damit auch – strafrechtliche Verantwortung für das tragische Ereignis allein den Mitarbeiter des Amtes traf, der den Versuchsvorgang leitete und bei dem Unglück selbst zu Tode kam.

 

Am 22. August 2006 waren – wie üblich – zwei Mitarbeiter des Beschussamtes damit beschäftigt, im Kundenauftrag Werkstoffe zu beschießen, um deren schusshemmende Eigenschaften zu testen. Dabei war auch ein 42 Jahre alter Mitarbeiter des Ingenieurbüros, das den Prüfauftrag erteilt hatte, anwesend.

 

Nachdem aus der Abschussvorrichtung bereits mehrere Einzelschüsse abgefeuert worden waren, wollte ein 57-jähriger Mitarbeiter des Beschussamtes, der Spezialist des Amtes für diesen Aufgabenbereich, die Vorrichtung für die nächste Schussabgabe vorbereiten. Dabei löste sich aus dem Lauf ein Schuss. Das Projektil (Kaliber 14,5 mm) traf den Mitarbeiter des Ingenieurbüros, der am Ende des Schießkanals den zu prüfenden Werkstoff montiert hatte, in die rechte Bauchseite. Er erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen. Das zugleich durch die Zündung mit großer Wucht nach hinten geschleuderte Verschlussteil der Abschussvorrichtung fügte dem hinter der Abschussvorrichtung stehenden Leiter des Versuchsvorganges gleichfalls schwerste Verletzungen zu; er verstarb wenig später im Krankenhaus.

 

Die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei ergaben zwei gravierende, voneinander unabhängige Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften, die jeweils todesursächlich waren:

 

Zum einen belud der Beamte des Beschussamtes, der den Versuch leitete, in grob pflichtwidriger Weise die Waffe zu einem Zeitpunkt, als sich noch Personen im Zielbereich aufhielten. Nach den bestehenden Sicherheitsrichtlinien hätte die Munitionierung der Waffe aber erst erfolgen dürfen, wenn sich im Zielbereich keine Personen mehr aufhalten.

 

Zum anderen verfügte die Schussvorrichtung über keine mechanische Schlagbolzensicherung. Eine solche Arretierung hätte eine unbeabsichtigte Vorwärtsbewegung des Schlagbolzens und damit eine Schussabgabe so lange verhindert, bis die Patrone in den Lauf eingeführt und die Vorrichtung ordnungsgemäß verschlossen worden ist. Nach übereinstimmender Einschätzung der von der Staatsanwaltschaft eingeschalteten Gutachter wäre eine solche mechanische Sicherung des Schlagbolzens aus heutiger wie damaliger Sicht „Stand der Technik“ und somit zwingend erforderlich gewesen.

 

Der 57-jährige Versuchsleiter, ein gelernter Büchsenmachermeister, hatte im Jahr 2004 selbst, vermeintlich zur Erhöhung der Bediensicherheit, Änderungen an der Abschussvorrichtung vorgenommen und dabei die mechanische Schlagbolzensicherung entfernt. Dabei wurde die bisherige Mechanik so umgebaut, dass der Schlagbolzen beim Verriegeln des Verschlusses noch nicht gespannt war, sondern erst nach der Verriegelung des Verschlusses im Lauf, ferngesteuert aus einer hinter der Abschussvorrichtung aufgestellten, schusssicheren Kabine, elektromagnetisch gespannt und ausgelöst werden konnte.

 

Die Beseitigung der mechanischen Schlagbolzensicherung beim Umbau der Schussvorrichtung führte jedoch letztlich dazu, dass sich am 22. August 2006 beim Beladen der Waffe, wohl durch einen etwas heftigeren Stoß der Vorderkante des Verschlusses gegen den starren Lauf der Kanone, der sich über eine Vorwärtsbewegung als Impuls auf den schwimmend gelagerten Schlagbolzen übertrug, der tödliche Schuss auslöste.

 

Weder den beiden Vorgesetzten des 57-Jährigen Beamten, noch seinem Kollegen, welcher beim Umbau der Schussvorrichtung helfend beteiligt war und bei dem Unfall gleichfalls verletzt wurde, kann nach dem Ergebnis der Ermittlungen ein Mitverschulden zum Vorwurf gemacht werden. Sie alle durften aufgrund der überlegenen Sachkunde des 57-Jährigen Mannes, eines Spezialisten auf diesem Gebiet, darauf vertrauen, dass diesem der geforderte – ungeschriebene – Stand der Waffentechnik bekannt war und vom ihm auch beachtet wird. Bis zu diesem Unfallgeschehen im August 2006 hatte auch kein Anlass bestanden, dessen besondere Sachkunde zu bezweifeln.

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